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Wien: In Österreich geht der Trend wieder zu mehr Sonderschulen

    Wien: In Österreich geht der Trend wieder zu mehr Sonderschulen

    Sonderschulen sind in Österreich als eigenständige Schulform für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen oder Verhaltensauffälligkeiten auf dem Vormarsch. Hatte die Bundesregierung Anfang der 2010er-Jahre noch Ambitionen, Kinder mit und ohne Behinderung nach Möglichkeit gemeinsam zu erziehen, bewegen sich einige Bundesländer derzeit „in Richtung einer Konsolidierung oder Erweiterung von Sonderschulsystemen“, stellt das Independent Oversight Committee gegenüber der APA fest.

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    Wurde bei einem Kind die Diagnose „Sonderpädagogischer Förderbedarf“ (SPF) gestellt, können Eltern seit 1993 (Grundschule) bzw. 1996 (Mittelschule, theoretisch AHS) wählen, ob das Kind eine Sonderschule oder eine inklusive Schule – also in eine Klasse mit Kindern ohne Behinderung – besucht. Zuletzt (Schuljahr 2023/24) verfügten rund 30.000 Kinder oder 4,8 Prozent aller Pflichtschüler (Grund-, Mittel-, Förder- und Fachschulen) über einen sonderpädagogischen Förderbedarf; Laut Statistik Austria lag die Inklusionsquote über alle Bundesländer hinweg bei 63 Prozent.

    Ratifizierung der UN-Menschenrechtskonvention

    Mit der Ratifizierung der UN-Menschenrechtskonvention im Jahr 2008 hat sich Österreich zu einem echten Bekenntnis zum gemeinsamen Unterrichten von Studierenden mit und ohne Behinderung entwickelt. Ziel der rot-schwarzen Bundesregierung unter Bundeskanzler Werner Fehmann (SPÖ) war es, bis 2020 flächendeckend inklusive Modellregionen zu etablieren und eine Ausnahme für Sonderschulen zu machen. Durchgesetzt wurden diese allerdings nur in der Steiermark, Kärnten und Tirol. 2018 war schon wieder vorbei.

    Der Überwachungsausschuss, der die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich überwacht, verfügt über keinen umfassenden Überblick über Bau- oder Erweiterungspläne für Sonderschulen. Allerdings gebe es inzwischen „einzelne Hinweise und einen klaren Trend“ zu mehr Sonderschulen. Auch Susan Schwab, Expertin für inklusive Bildung an der Universität Wien, bestätigte den Trend zu einer Zunahme von Sonderschulen seitens der Bildungsdirektionen.

    In Oberösterreich sind zwei neue Sonderschulen geplant

    In Oberösterreich sind beispielsweise derzeit zwei neue Sonderschulen in Perg (als Teil des Schulzentrums) und Linz geplant. Investitionen in Sonderschulen stünden jedoch „im Widerspruch zum Ziel der Inklusion“, zu dem sich Österreich 2008 verpflichtet hatte, kritisiert der Begleitausschuss. In seinen Handlungsempfehlungen für 2023 forderte das UN-Expertengremium nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die für die Pflichtschulen zuständigen Länder auf, die Segregation von Kindern mit Behinderungen – insbesondere in Sonderschulen mit angeschlossenen Internaten – zu beenden.

    In Oberösterreich könnten jedoch weitere Neubauten folgen: In der Steiermark, wo 2015 ein Pilotprojekt mit inklusiven Modellregionen gestartet wurde, fördert die aktuelle Regierung Sonderschulen: Eine Regelschule sei für Kinder mit Förderbedarf oft nicht geeignet, weil sie teilweise mehr Betreuung und Zuwendung als Schulbesuch benötigen, schreiben ÖVP und FPÖ in ihrer Arbeitsvereinbarung. „Kinder leiden in diesen Systemen mehr, als dass sie davon profitieren.“ Daher sollten Eltern weiterhin selbst die beste Schulform wählen.

    Inklusion „funktioniert nur in einer idealen Welt“

    Für Bildungsstadtrat Stefan Hermann (FPÖ) funktioniert Inklusion nur in einer idealen Welt, wie er kürzlich in einem Interview mit „Mein Bezirk“ betonte. „Aber die Realität ist: Wir haben Klassen mit vielen Kindern mit Verhaltensproblemen, die das System kaputt machen.“ Zuletzt hatte die Steiermark mit 84 Prozent mehr Kinder in einer inklusiven Schule als jedes andere Bundesland.

    Im Programm der Salzburger Landesregierung plädiert die ÖVP-FPÖ-Regierung für „die sinnvolle Gestaltung inklusiver Maßnahmen für alle Beteiligten an Schulen“. „Wir bekennen uns auch klar zu den Sonderschulen“, stellt er fest. Bildungslandesrätin Daniela Gutchi (ÖVP) kündigte kürzlich an, den Schultyp weiter aufwerten zu wollen. Schließlich erhalten die Kinder dort eine Förderung, die andere Schulen in diesem Umfang nicht bieten können.

    „In der Regel ein klarer Nachteil“

    Experte Schwab sieht in der Stärkung der Sonderschulen allerdings nichts Positives. Natürlich muss man auf das Wohl aller Kinder und Jugendlichen Rücksicht nehmen und individuelle Sonderangebote anbieten, zum Beispiel bei kleineren Klassen, aber auch das ist in einer inklusiven Schule möglich. Eine Abweichung hiervon bedeute jedoch, dass Schüler mit Förderbedarf und Sonderschullehrplänen „in der Regel deutlich im Nachteil“ seien, da sie weniger Kontakte zu Schülern ohne Behinderung hätten, schlechtere Bildungsabschlüsse und Chancen auf dem Arbeitsmarkt sowie ein höheres Stigmatisierungsrisiko seien.

    Aus Schwabs Sicht beginnt das Problem schon bei der Bescheinigung von Kindern mit Förderbedarf: Je nach Bundesland schwankt der Anteil zwischen 2,5 Prozent in Tirol und 6,8 ​​Prozent in Salzburg. Erst im Jahr 2023 zeigte der Evaluierungsbericht, dass die Beschaffungsprozesse nicht korrekt waren und gefährdete Gruppen deutlich überrepräsentiert waren. Ob Kinder inklusive Bildung erhalten, hängt auch vom Bundesland ab: Während in Kärnten, Oberösterreich und der Steiermark acht von zehn SEN-Schülerinnen und -Schülern in Inklusionsklassen sind, ist es in Wien nur jede zweite. Allerdings liegt das laut Schwab unter anderem daran, dass es im Land nur wenige Sonderschulen gibt.

    Selbst die Bundesregierung rührt sich nicht vom Erhalt von Sonderschulen. Allerdings will die Koalition Schwarz-Rot-Rosa Sonderschulen „entwickeln“ und Plätze für Regelunterricht eröffnen, damit dort Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam lernen können.

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