Für viele in Frankreich begann vor zehn Jahren eine neue Ära. Der Historiker Henri Rousseau sagt: „Dies ist unser 11. September. Ein so schwer betroffenes Land wird morgen, am 13. November 2015, der Opfer der islamistischen Anschläge gedenken. Der Wendepunkt lässt sich nicht nur an der bloßen Zahl der Opfer messen. Vor zehn Jahren kamen 130 Menschen ums Leben: 90 im Bataclan-Konzertsaal, 39 auf den Terrassen vieler Bistros und einer vor dem Stade de France. wurden schwer verletzt, andere blieben jedoch körperlich unverletzt leiden bis heute unter den Spätfolgen. Mittlerweile gab es zwei tödliche Fälle, in denen sie mit dem Trauma nicht leben konnten.
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Touristen strömen zu den Sehenswürdigkeiten
Neben der Zahl der Opfer ist der Bruch auch dadurch gekennzeichnet, dass Menschen, die ausgelassen feierten, zur Zielscheibe wurden. Bei den schwersten Anschlägen in Frankreich seit 2012 haben Terroristen einzelne Personen oder Gruppen ins Visier genommen: Journalisten, Soldaten, Polizisten und Juden. Doch am 13. November 2015 hatte eine ganze Gesellschaft und ihre Lebensweise einen Sinn.
Der Marathonprozess gegen den einzigen überlebenden Terroristen und seine Helfer, der von 2021 bis 2022 dauerte, zeigte, dass die Terroristen wenige Tage vor dem Anschlag unentschlossen waren, was ihr Ziel war. Sie zielten auf traditionelle Katholiken oder Punks ab. Der Schriftsteller Emmanuel Carre, der den Prozess verfolgte und mit seinem Buch „V13“ den Opfern ein literarisches Denkmal setzte, beteuert, dass dies nicht die gleiche Wirkung gehabt hätte: „Hätte es nicht dieses Phänomen der Identifikation mit einer der sichtbarsten und hörbarsten Schichten der Gesellschaft gegeben, dieser kosmopolitischen Dreißigerjahre, hier Sensius genannt. Es war die „Bobo-Gesellschaft“, die zuschlug.“
Nach dem Versagen der Behörden war im Kampf gegen den Terrorismus nichts mehr beim Alten: Es wurden enorme personelle, finanzielle und militärische Anstrengungen unternommen, um einen weiteren Anschlag wie den an der Küste von Nizza am 14. Juli 2016 zu verhindern. Seitdem hat sich das Budget der Geheimdienste von 275 Millionen Euro auf 590 Millionen Euro verdoppelt. Insgesamt wurden 10.000 neue Stellen für die französische Polizei und Gendarmerie geschaffen.
Die Terrorgefahr gilt nach wie vor als hoch. In diesem Jahr gab es drei Angriffe mit zwei Todesopfern. Der örtliche Geheimdienst berichtet, dass seit Jahresbeginn sechs Attentate vereitelt wurden. Der erfolgreiche Kampf gegen den Terrorismus war jedoch mit Einschränkungen der Rechtsstaatlichkeit verbunden. Der nach den Anschlägen im Jahr 2015 verhängte Ausnahmezustand dauerte volle zwei Jahre. Während dieser Zeit verfügten die Behörden über weitreichende Befugnisse, um nachts Häuser zu durchsuchen und ohne Gerichtsbeschluss Hausarrest zu verhängen. Im Oktober 2017 folgte fast nahtlos ein Anti-Terror-Gesetz, das der französischen Polizei mehr Befugnisse einräumte.
Koordination bei Geheimdiensten
Von entscheidender Bedeutung war auch die längst überfällige Koordinierung der verschiedenen französischen Geheimdienste, die lange Zeit miteinander konkurrierten. Im Jahr 2017 wurde das „National Coordination Center for Intelligence and Counter-Terrorism“ (CNRLT) gegründet. „Der Staat hat mit Geheimdiensten und juristischen Akteuren eine französische Anti-Terror-Gemeinschaft gebildet und eine starke Struktur geschaffen“, betont Céline Berthon, Chefin des Inlandsgeheimdienstes DGSI.
Die größte Bedrohung geht mittlerweile vom IS-K (Islamischer Staat in Khorasan) aus, der in Afghanistan und Pakistan aktiv ist. Heutzutage haben die Ermittler vor allem Einzeltäter im Visier, die von islamistischer Propaganda beeinflusst wurden – und die immer jünger werden.
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