„US-Präsident Trump droht BBC mit Milliardenklage“, „Trump kündigt Milliardenklage gegen New York Times an“, „Trump verklagt Meinungsforscher, der ihn unterschätzt hat“ – US-Präsident Donald Trump sorgt für Schlagzeilen. Mit extrem hohen Schadensersatzforderungen verklagt er Medienunternehmen wegen – aus Sicht des US-Präsidenten – unappetitlicher Berichterstattung. Das Ziel: Kritischen Journalismus zum Schweigen bringen. Und es zerstört nach und nach die Freiheit und Demokratie der Medien. Doch können solche Klagen auch Privatpersonen ohne journalistischen Hintergrund treffen?
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Bei dieser Einschüchterungsklage handelt es sich nicht um ein US-Phänomen, wie die Klage gegen die österreichische NGO „SOS-Balkanroute“ (siehe Infobox) zeigt. Diese strategischen Klagen gegen Öffentlichkeitsbeteiligung (SLAPP) werden von Lobbygruppen oder einflussreichen und vor allem finanzstarken Akteuren erhoben, wenn Journalisten und Aktivisten durch ihre Recherche Missstände an die Öffentlichkeit bringen.
Es ist schockierend, SLAPPs haben typischerweise eine unverhältnismäßig hohe Nachfrage nach der mutmaßlichen Straftat. Ein typisches Beispiel dafür sind Trumps übertriebene Milliardenforderungen gegen Medienunternehmen. Sie gehen oft mit öffentlichen Hetzkampagnen gegen den Angeklagten einher. Die EU hat bereits 2024 eine Anti-SLAPP-Richtlinie verabschiedet, um Betroffene besser vor unbegründeten Klagen zu schützen.
Rechtsmissbrauch aufgrund von Machtungleichgewichten
Der Teufel steckt wie immer im Detail: „Klagen wegen Verleumdung oder Kreditschädigung sind nicht per se illegal“, betont Christoph Bazemek, Professor an der Grays University. Das Problem liegt in der mangelnden Verhältnismäßigkeit und der missbräuchlichen Durchsetzung der Ansprüche. Nur ein Richter kann über die Annahme oder Abweisung der Klage entscheiden, indem er prüft, ob die Klage berechtigt ist. Dies ist auch für die Kläger nicht schlüssig. Das einzige Ziel besteht darin, die Angeklagten einzuschüchtern und so eine kritische Berichterstattung zu verhindern. Nur wenige Fälle landen tatsächlich vor Gericht, weil die Angeklagten den langwierigen Prozess und die kostspieligsten Konsequenzen vermeiden. Und wenn ja, sind jahrelange Rechtsstreitigkeiten auch ein kalkuliertes Risiko für den finanziell überlegenen Kläger.
„Nicht jeder Angeklagte hat die Mittel, vor Gericht zu gehen“, warnt Walter Stroble vom Concordia Press Club, der sich für Opfer von SLAPPs einsetzt. Für die Angeklagten geht es jedoch um ihr berufliches und vor allem wirtschaftliches Überleben. „Letztendlich geht es bei diesen Klagen darum, die betroffenen Journalisten oder Aktivisten einzuschüchtern und mundtot zu machen“, betont Strobl. Seriöser Journalismus, der Skandale wie Korruption oder Amts- und Machtmissbrauch aufdecken will und den es in jeder Demokratie brauche, sei ernsthaft gefährdet, so der Anwalt.
Große Dunkelziffer bei SLAPP-Klagen
Es gibt keine verlässlichen Statistiken zu SLAPPs in Österreich. „Wir sprechen jedes Jahr von einer Handvoll Klagen“, sagt Strobl. Allerdings sind uns nur Fälle bekannt, die dem Presseclub zur Kenntnis gebracht wurden. Strobl geht davon aus, dass die Zahl der gemeldeten Fälle in Österreich deutlich höher liegt. Die europaweite Dimension zeigt ein Blick auf den 2024 von „Coalitions Against SLAPPs in Europe“ (CASE) veröffentlichten Bericht. Dies errechnet sich für 2023 mit 166 SLAPP-Klagen und für 2022 mit 161 SLAPP-Klagen. Laut CASE sind Korruption, wirtschaftliche Probleme, Regierungsmaßnahmen und Umweltthemen häufig Gegenstand von SLAPP-Klagen.
EU-Anti-SLAPP-Richtlinie bis 2026
Aktivisten und Journalistenorganisationen fordern seit langem, dass der Gesetzgeber strengere Maßnahmen ergreift, um Journalisten und andere betroffene Gruppen besser zu schützen. Die Verabschiedung einer entsprechenden Anti-SLAPP-Richtlinie durch die EU im Jahr 2024 wurde daher begrüßt. Die EU-Mitgliedstaaten müssen dies nun bis zum 7. Mai 2026 umsetzen.
Obwohl die Zeit drängt, ist dies in Österreich noch nicht geschehen. Auch die Koalition aus ÖVP, SPÖ und Neos hat Maßnahmen gegen SLAPP-Klagen ins Koalitionsprogramm geschrieben. Der Entwurf des SPÖ-geführten Justizministeriums liegt seit Sommer vor, doch die ÖVP hat den nicht öffentlichen Entwurf nur zögerlich geprüft. Dies soll laut Norm auch inländische Einschüchterungsansprüche umfassen und damit über EU-Richtlinien hinausgehen. Die ÖVP sieht darin eine unnötige „Übererfüllung“ der Richtlinie.
Ein Umstand, den Professor Bazemac – allerdings ohne Kenntnis des noch nicht veröffentlichten Entwurfs des Justizministeriums, wie er betont – aus rechtlicher Sicht bei der Umsetzung der Richtlinie berücksichtigen muss. Das alleinige Ziel besteht darin, einheitliche Mindeststandards zwischen den EU-Staaten zu schaffen. Nach Ansicht eines Rechtsexperten soll damit das strategische „Forum Shopping“ verhindert werden, also der Versuch eines Klägers, vor einer Gerichtsbarkeit in einem anderen EU-Land zu klagen, wenn dort die Voraussetzungen für den Kläger rechtlich günstiger sind.
Der Anpassungsbedarf an österreichisches Recht ist unklar
Laut Bazemek bietet das österreichische Recht bereits mehrere Möglichkeiten, sich gegen unbegründete Klagen zur Wehr zu setzen. Der Gesetzgeber muss daher abwägen, inwieweit er in die aktuelle Rechtslage eingreifen kann oder will. Aus rechtlicher Sicht kann ein Eingreifen mehr schaden als nützen. Allerdings schließt er Anpassungsbedarf nicht aus, insbesondere im Hinblick auf mögliche Einschränkungen. „Weitere Einzelheiten können aber erst gesagt werden, wenn der Entwurf des Justizministeriums der Öffentlichkeit bekannt wird“, betont Bazemac.
Walter Strobl sieht das anders und hält es für zwingend erforderlich, die EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. „Die derzeitigen rechtlichen Mittel reichen nicht aus, um die Betroffenen von Einschüchterungsklagen zu schützen“, betonte er. Er hält die Umsetzung der EU-Empfehlung für rein nationale Fälle aus verfassungsrechtlichen Gründen für erforderlich. Darüber hinaus bilden grenzüberschreitende Fälle eine Ausnahme; Bei den meisten bekannten Fällen in Österreich handelt es sich um Rechtsstreitigkeiten, bei denen Kläger und Beklagter ihren Sitz in Österreich haben. Und genau diese nationalen Fälle decke die EU-Richtlinie nicht ab, argumentiert Strobl. Die Zurückhaltung der Regierung kommentiert er so: „Weil man denkt, man muss es nicht, das will man nicht.“
SLAPPs und Privatpersonen
Die gute Nachricht ist, dass Privatpersonen, die nicht im Journalismus, als Aktivisten oder in NGOs arbeiten, selten Opfer einer SLAPP-Klage werden. Unabhängig davon sollte man vorsichtig sein, warnt Bezemac auch, was man in den sozialen Medien postet oder teilt. Hier kann es schnell zu einer unbeabsichtigten Verletzung von Persönlichkeitsrechten kommen.
Auch US-Präsident Trump hat mehrfach erlebt, dass Einschüchterungsklagen oft scheitern und vor Gericht abgewiesen werden. Er konnte seine Klagen gegen die New York Times und sogar gegen CNN, gegen die er bereits nach seiner ersten Präsidentschaft geklagt hatte, nicht durchsetzen. Die jeweiligen Gerichte lehnten sie ab. In jedem Fall kosten die Klagen die betroffenen Medienunternehmen Zeit, Geld und vor allem Glaubwürdigkeit durch die Diskreditierung Trumps.
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