Seit einigen Tagen befasst sich der russische Sonderbeauftragte für „Investitionskooperationen mit anderen Staaten“ Kirill Dmitriev auf Telegram fast ausschließlich mit dem Korruptionsskandal in der Ukraine. Die Entlassung des umstrittenen Präsidentenamtschefs Andrij Jermak durch Wolodymyr Selenskyj kommentierte er schadenfroh: „Ali Baba ist weg. Nur noch 40 Räuber.“ Und er zitierte Donald Trump: Korruptionsprobleme in der Ukraine sind bei Friedensgesprächen nicht hilfreich.
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Wie alle loyalen russischen Beobachter ignoriert Dmitrijew die Korruption im eigenen Land. Dort leiten alte Putin-Freunde wie Igor Setschin, Wiktor Kowaltschuk und die Rotenberg-Brüder – einst Judo-Freunde, Datscha-Nachbarn oder persönliche Sekretäre des Präsidenten – Staatsbanken und Ölkonzerne oder verdienen Milliarden mit Regierungsaufträgen. Und nun versuchen Dmitrijew und andere russische Unterhändler offenbar, US-Vermittler im Ukraine-Konflikt mit milliardenschweren Rohstoffdeals zu überzeugen.
An Witkoff wird besonders fleißig gearbeitet
Dem Wall Street Journal (WSJ) zufolge gilt Dmitriyev, ein anglophoner Stanford-Absolvent und Investmentmanager bei Goldman Sachs, als Schlüsselfigur in der russischen Strategie, die der Kreml schon vor Trumps Amtseinführung im Auge hatte. Ziel sollte es sein, den notorischen Profiteur Trump und seine Entourage als Wirtschaftspartner zu gewinnen und sich von den Ukraine-Anhängern zu distanzieren. Besonders fleißig arbeiteten die Russen an Steve Witkoff. Dmitriyev begleitete Trumps Golfpartner und Russlands Vertreter zu seinem ersten Gespräch mit Putin im Februar, danach traf sich der russische Staatschef noch viermal mit Witkoff. Nach Angaben des WSJ unterhielten sie sich auch häufig am Telefon über einen möglichen Deal. Witkoff, der in der Außenpolitik völlig unerfahren war, erzählte regelmäßig die Geschichten des Kremls über die Ukraine.
Im Oktober setzten sich Dmitriev und Witkoff in Miami mit Trumps Schwiegersohn Jared Kushner zusammen und verfassten einen 28-Punkte-Plan für die Ukraine, der Kiew und Brüssel entsetzte: Das Trio bekräftigte maximale russische Forderungen, etwa massive Kürzungen des Territoriums.
Will der Kreml Washington ganz auf seiner Seite haben?
Beobachter streiten darüber, ob der Kreml mit seinem langjährigen Wirtschaftsflirt einfach nur verhindern will, dass Trump neue Waffen an die Ukraine liefert oder Russlands Ukraine-Kampagne mit Sanktionen bremst, oder ob er sich im anhaltenden Konflikt mit dem Rest des anglo-europäischen Westens komplett auf die Seite der USA stellen will.
Tatsächlich verhandeln Unternehmer beider Länder bereits eifrig über neue – oder alte – Joint Ventures. Im August trafen sich Putins Kumpel und Rosneft-Chef Setschin diskret mit ExxonMobil-Vizepräsident Neil Chapman, um die mögliche Rückkehr der Amerikaner zum Öl- und Gasförderprojekt Sachalin-1 zu besprechen. Nach Angaben des Portals Agenstwo verhandeln auch Putins Freunde Kowaltschuk, Rotenberg und Gennadi Timtschenko heimlich mit US-Unternehmen. Dabei geht es unter anderem um den Edelmetallabbau in der Nähe von Norilsk.
Wiederbelebung von Nord Stream 2
Diskutiert wird auch die Nutzung der lahmgelegten Ostseepipeline Nord Stream 2, an der Trumps Wahlkampfsponsor Stephen Lynch interessiert sein soll. Auch Investitionen in die Flüssiggasraffinerie Arktik SPG 2 am Arktischen Ozean sind im Gespräch; Hier sprechen Putins Milliardäre mit Gentry Beach, einem weiteren Sponsor von Donald Trump und Freund seines Sohnes. Die beiden Clans kommen sich näher.
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„Wir wissen, dass es nicht um Frieden geht“, kommentierte der polnische Premierminister Donald Tusk kürzlich den 28-Punkte-Plan, „sondern ums Geschäft.“ Es geht hier jedenfalls nicht um die Verteidigung der Ukraine. Laut WSJ hat Witkoff Kiewer Beamten bereits vorgeschlagen, ukrainische Soldaten zu entlassen, damit sie für KI-Rechenzentren im Silicon Valley arbeiten können. Und Wladimir Putin erwartet Witkoff heute Nachmittag zurück im Kreml.